Bitte Bitte mehr Verbote – Zeit-Kolumne von Mely Kiyak
„Es wird sich heute reflexartig um die Freiheit gesorgt, sobald jemand versucht, etwas mit Gesetzen zu verändern. Aber von Aufklärung allein ändert sich nichts. Nie.“
… Es gibt Bürger, für die der Gedanke, anderen zu schaden, unerträglich ist. Diese Bürger unterstützen vielleicht die internationalen Hilfsorganisationen wie Medico International oder zahlen einen Jahresbeitrag für Amnesty. Sie laufen bei Fridays For Future mit, bei #Unteilbar oder Pulse of Europe. Sie unterstützen vielleicht vor Ort kleinere Initiativen und haben das Greenpeace Magazin abonniert. Sie sind verstreut, nicht immer miteinander vernetzt, aber sie sind da. Zivilisation und Fortschritt entstanden noch nie aus Massenbewegungen, sondern sind das Verdienst der Avantgarde. Das Verbot von Sklavenhandel und Kinderarbeit, die Einführung des Frauenwahlrechts, die Arbeitnehmerrechte – das alles sind Beispiele dafür, dass der Bewusstseinswandel kein strömender Fluss ist, sondern eher wie ein lecker Wasserhahn in die Gesellschaft tröpfelt. Welche Partei sollen diese Bürger, die unbeirrt und beharrlich vor sich hin tröpfeln, wählen? Wo endlich gibt es eine Verbotspartei, die gegen asoziales Verhalten der Industrie kämpft? Wo sind die Politiker, die sich etwas noch größeres und radikaleres als einen Veggie Day zu fordern trauen? Stattdessen eine Ministerin, die sich an die Seite eines mächtigen Konzerns stellt und jubelt, als handele es sich bei Nestlé um eine Menschenrechtsorganisationen mit humanitärem Kompass.
Quelle: Zeit online – Bitte Bitte mehr Verbote – Zeit-Kolumne von Mely Kiyak
Egal ob Veggie Day, Amazon-Retourenvernichtungsverbot, das Kastrieren unbetäubter Tiere, CO2-Steuer oder was auch immer; es schreien die politischen Kommentatoren auf: „Verbot, Verbot!“
Man müsste entgegnen: Ja klar, Verbote. Was denn sonst? Es braucht nicht weniger Regulierung, sondern mehr. Bitte, bitte noch mehr Verbote! Und bei Grenzübertritt fette Strafzahlungen. Geld ist die einzige Sprache, die Konzerne verstehen. …