Wirtschafts-Monopole

Warum reiten wir auf den Konzernen herum, wenn es um die Entwicklung illegitimer Machtstrukturen geht? Weil die Konzentration von Marktmacht auf Dauer allen schadet.

Konzerne haben so viel wirtschaftliche Macht, dass sie in der Lage sind, besonders innovative und/oder aufstrebende Unternehmen aufzukaufen. Konzerne kaufen diese Unternehmen dann auf, wenn sie erkennen, dass entweder ihre dominierende Marktmacht bedroht wird, oder wenn sie merken, dass neue Ideen oder Technologien entwickelt werden, die ihnen zukünftig Konkurrenz machen könnten. Konzerne haben darüber hinaus die Macht, Konkurrenten vom Markt zu drängen.

Theoretisch sollten Kartellbehörden diesem Treiben Einhalt gebieten. Auf globaler Ebene funktioniert dies natürlich in keinster Weise. Das Ergebnis ist immer das gleiche: Jedes Mal, wenn irgendjemand eine gute neue Idee hat, wird sein oder ihr Startup aufgekauft. Damit wir weiter den Konzern-Eintopf löffeln, Alternativen vorenthalten werden und Macht schön konzentriert bleibt.

Internet-Konzerne

Eine Liste der Unternehmen, die zum Alphabet-Konzern gehören, findest Du auf Wikipedia, die Produkte von G__gl_ ebenfalls. Hier ein unvollständiger, nicht exakter Eindruck des Konzern-Netzwerks 2020:

Die Reichweite von „Alphabet“ – ein grober Überblick, Stand 2020

Wenn G—- den Browser-Krieg gewinnt, wird das Netz zur Monokultur

Quelle: SZ vom 8.7.2019

2009 ließen G—- Entwickler beim Aufruf von Youtube-Seite im Internet Explorer 6 (ohne sich zuvor mit der Geschäftsführung abgestimmt zu haben) eine Warnung erscheinen, dass der Export für diesen Browser demnächst eingestellt würde (was so nicht stimmte). Der Marktanteil des Browsers brach daraufhin um die Hälfte ein. Heute dominiert G—–s Browser Chrome mit einem Desktop-Marktanteil von knapp 70 Prozent und 60 Prozent auf Smartphones.

Der SZ-Autor Simon Hurtz verwendet für die Marktmacht von G—– folgenden Vergleich:

„Alle Menschen brauchen Brillen, um sehen zu können. Ein Großteil vertraut auf kostenlose Produkte eines einzelnen Unternehmens. Es verdient Geld, indem es Brillenträgern am Rande ihres Sichtfelds Werbung anzeigt. Gleichzeitig kontrolliert der Brillenhersteller das gesamte Verkehrssystem. Er bestimmt, wie die Menschen die Welt sehen und welche Orte sie besuchen.“

Derweil werfen führende Manager von Mozilla G—- vor, dass es den Firefox-Browser gezielt sabotiert (was G—- natürlich zurückweist). Zumindest sorgt G—– dafür, dass auf fremden Browsern immer wieder Hinweise auftauchen, doch lieber Chrome zu benutzen.

Im Interview mit der SZ sagt Mozilla-Geschäftsführer Mark Surman Gxxglx bedroht das freie Netz, Facebook bedroht die Demokratie“ (SZ vom 18. April 2019)

G—-s Technologie ist für die Entwickler inzwischen der Standard, an dem sie sich orientieren. Ganz nebenbei wird Chrome zukünftig die Funktion von Adblockern einschränken. Eigentlich klar, wenn der größte Anzeigenverkäufer der Welt den größten Browser der Welt betreibt.

Die G—- Dienste werden mehr und mehr mit Chrome vernetzt – einloggen bei Gmail genügt, um sich auch bei Chrome angemeldet zu haben.

Auch Android – an sich als Open-Source-System konzipiert – ist inzwischen vollgeladen mit eng verknüpften Diensten von G—– (Gmail, Playstore usw.)

Man muss G—– noch nicht einmal böse Absichten unterstellen – aber das Unternehmen wird zu einer Machtzentrale, die ihre Macht jederzeit missbrauchen könnte und dann praktisch nicht mehr zu stoppen wäre. Mark Surman: „Gxxglx mag seine Macht nicht missbrauchen wollen, aber es gebraucht sie. Und sie sind so mächtig, dass bereits der Gebrauch dieser Macht missbräuchlich ist, unabhängig davon, was sie wollen.“

Wohin entwickelt sich G—–?

Bereits 2005 sagte der damalige Gxxglx-Chef Eric Schmidt: „Bekommen Sie mehr als eine Antwort, wenn Sie Gxxglx nutzen? Natürlich. Nun, das ist ein Fehler. Wir sollten wissen, was Sie meinten, und in der Lage sein, Ihnen nur eine exakt richtige Antwort zu geben.“ Fünf Jahre später gestand Schmidt ein, dass man nicht wisse, wie die Zukunft der Suche aussehe. „Aber eine Idee ist, dass wir Ihnen mehr und mehr Abfragen abnehmen, ohne dass Sie tippen müssen. Ich denke, dass die meisten Menschen nicht wollen, dass Gxxglx ihre Fragen beantwortet. Sie wollen, dass Gxxglx ihnen sagt, was sie als Nächstes tun sollen.“

Quelle: https://www.sueddeutsche.de/digital/google-discover-1.4181596

In seinem eigenen Browser hat G—- inzwischen damit begonnen, unter dem Namen „Discover“ eigene Inhalte anzubieten – der Abschied von der leeren Seite mit dem Suchfeld (das in anderen Browsern noch so erscheint). D.h.: G—– baut seinen Einfluss auf unser Leben ständig weiter aus.

Noch ein Ausblick auf ein Thema, das wir demnächst bearbeiten werden: Mehr als die Hälfte der Menschen in riesigen Entwicklungs- und Schwellenländern wie Nigeria, Indien und Brasilien stimmt der Aussage zu, dass „Facebook das Internet ist“. 

Was kann ich tun, wenn mir das freie Netz am Herzen liegt und mich die Macht der Tech-Giganten beunruhigt?

Nutzen Sie Alternativen, wann immer Sie können. Es gibt immer mehr Dienste und Produkte, bei denen Sie eine Wahl haben. Das Populäre ist nicht immer das Beste. Halten Sie Ausschau nach unabhängigen Entwicklern und Open-Source-Software, und geben Sie diesen Alternativen den Vorzug.

Mark Surmann

Nicht legitimierte globale Macht muss begrenzt werden. Wer nicht möchte, dass G—- im Netz allmächtig wird, kann folgendes tun, ohne Nachteile in Kauf nehmen zu müssen:

Erstens: andere Browser als Chrome nutzen: Opera, Brave, Vivaldi, Mozilla Firefox.

Zweitens: Alternative Suchmaschinen verwenden:

Startpage (Datenschutz ++, top privacy, anonymes Öffnen)

www.lycos.de (deutschsprachig)

Microsoft Bing (naja)

www.netluchs.de (schnell & einfach)

ecosia (pflanzt Bäume)

www.yahoo.de

Ixquick

www.fireball.com (deutschsprachige, anonyme Suchmaschine)

https://metager.de/ von der Universität Hannover

DuckDuckGo (Datenschutz +)

www.fastbot.de (schnell & einfach, anonymes Öffnen)

www.seekport.com (schnell & einfach)

„Die geschlossenen Ökosysteme sind bequem, aber niemand wird dort eingesperrt. Buchhandlungen sind kein Relikt aus dem vergangenen Jahrhundert und das Netz wimmelt von Online-Shops, die Amazon nahezu gleichwertig ersetzen. Jeder kann ein Blog schreiben statt Facebook zu füttern. Die meisten Freunde sind bei Whatsapp, aber vielleicht lassen sie sich überzeugen, zu Signal, Threema oder Wire umzuziehen. Chrome ist ein schneller und sicherer Browser – genau wie Firefox, hinter dem kein Milliardenkonzern, sondern die gemeinnützige Mozilla Foundation steckt. Die Alternativen sind da, wir müssen sie nur nutzen.“

https://www.sueddeutsche.de/digital/gab-internet-zensur-meinungsfreiheit-1.4319069-2

Und noch etwas gibt zu denken: Die Infrastruktur des Internets wird von wenigen privaten Unternehmen beherrscht:

„Das dezentrale Netz ist heute eine Illusion. Im Internet liegt die Macht in den Händen weniger Infrastruktur-Anbieter. Dazu gehören Amazon und Microsoft, auf deren Servern AWS und Azure ein Großteil aller Webseiten liegt.  Wer eine Domain wie sueddeutsche.de anmelden will, beauftragt Registrare wie Godaddy oder 1&1. DNS-Provider wie Gxxglx oder Cloudflare übersetzen die URLs in IP-Adressen und verbinden den Rechner des Nutzers mit dem Server des Anbieters. …“

https://www.sueddeutsche.de/digital/gab-internet-zensur-meinungsfreiheit-1.4319069-2

Landwirtschaft und Lebensmittel in der Hand von Konzernen

Was ist davon zu halten, wenn eine Ministerin gemeinsam mit einem Konzernchef ein nettes Video veröffentlichen lässt, in dem Sie dessen große Fortschritte im Hinblick auf weniger gesundheitsschädliche (ich weigere mich, hier das Wort „gesünder“ zu schreiben) Fertignahrung lobt. Ein Werbe-Video mit einem Konzernchef, dessen Lobbyisten zuvor erfolgreich Lösungen wie Lebensmittelampel und Zuckersteuer verhindern konnten.
Das Nestlé-Klöckner-Video, um das es hier geht, wurde im Juni 2019 direkt auf der BMEL-Webseite veröffentlicht. Auch die ZEIT berichtet über Frau Klöckners Werbevideo.
Ich frage mich: War das Naivität oder Kalkül? Nestlé hat hohe Expertise darin, notwendige gesetzliche Regeln dadurch zu verhindern, dass den politischen Entscheidungsträger*innen „freiwillige Selbstverpflichtungen“ angedreht werden. So scheitern in der Lebensmittelbranche z.B. Zuckersteuer, Lebensmittelampel (wäre extrem hilfreich), Werberegeln (Kinder!)… Natürlich ist hier nicht nur Nestlé am Start (wenn auch ganz vorne dabei) sondern Scharen von Lobbyisten. Das Video hat die Aufmerksamkeit wieder einmal auf Nestlé gelenkt

Solche Berichte (hier sehr moderat in der Orange-Ausgabe des Handelsblatts) gibt es zuhauf im Netz. Nestlé wehrt sich auf seiner Webseite vehemment gegen alle Vorwürfe und stellt sich geradezu als Vorreiter für Nachhaltigkeit dar. Wer sich auf der Homepage von Nestlé umschaut hat eher den Eindruck, bei einer Organisation für Nachhaltigkeit gelandet zu sein. Ich hätte fast gespendet 😉
Es ist tatsächlich schwierig, einzelne Berichte von Journalisten (z.B. über die Rolle von Nestlé in Pakistan, Südafrika etc.) auf die Richtigkeit der Aussage hin zu überprüfen. Sicherlich naiv wäre es, den Aussagen des Konzerns einfach blind zu glauben.

Die Frage ist vielleicht nicht nur, ob einem Konzern wie Nestlé einzelne „skandalöse“ Fehler nachgewiesen werden können. Man kann auch andere Fragen stellen:

  • Wer profitiert davon, wenn ein Konzern 2000 Marken aufkauft und als Eigentümer weiterführt?
  • Wieso ist es notwendig und hilfreich,
    • wenn ein großer europäischer Konzern in Entwicklungs- und Schwellenländern Wasservorkommen anzapft und
    • Wasser in Einweg-Plastikflaschen vergleichsweise hochpreisig für die reicheren Bevölkerungsschichten anbietet,
    • die auf diese Weise eine saubere Trinkwasserversorgung hat 
      • (und sich möglicherweise weniger um die allgemeine Trinkwasserversorgung für alle kümmern muss)
    • Wer profitiert davon am meisten – und wer am wenigsten?
  • Wieso ist es gut für die Kinder in Deutschland, wenn Eis am Stiel fast immer von Nestlé kommt?
  • Welchen Nutzen hat es, wenn Nestlé als einer der dominierenden Lebensmittelkonzerne fast ausschließlich auf Einwegverpackungen setzt? Welche Folgen hat dies?
  • Wie ist es zu erklären, dass Verbraucher*innen Höchstpreise für Aluverkapselten Kaffee bezahlen, wenn Bio-Fairtrade-Kaffee zum Aufbrühen (oder für eine  „echte“ Espressomaschine) weniger als die Hälfte kostet? Könnte das etwas mit einer Überschwemmung durch Werbung zu tun haben?

Direkte Einflussnahme von Konzernen

Illegitime Macht ist gefährliche Normalität